Unsere Familie führte ein schnelles Leben. Manchmal zu schnell, so dass wir uns gehetzt und äußeren Anforderungen ausgeliefert fühlten. Unser Alltag war bis zum späten Nachmittag durchgetaktet. Wir aßen schnell, wir fuhren schnell, wir redeten schnell. Die Anforderungen in der Schule und auf der Arbeit waren hoch, so dass die körperlichen und geistigen Akkus bei allen leer waren. Auf dem Nachhauseweg fuhr ich gefährlich langsam, weil ich mich nicht mehr konzentrieren konnte. Die Kinder wollten nicht mal mehr reden und hingen in den Sitzen. Im Haus flüchtete jeder in sein Zimmer und brauchte 1-2 Stunden zur Erholung. Dann war es schon wieder Abend und der Trubel mit Hausaufgaben, Kochen, Essen, Reden, Streiten, Bettfertigmachen ging in die zweite Runde. Wir konnten uns, unsere Tiere und unser schönes Grundstück gar nicht mehr genießen.
Irgendwann waren wir nur noch gereizt, schlechtgelaunt und halb krank. Das sollte unser Leben sein? Schule, Arbeit, Vereine, andere Eltern – alle hatten für uns Aufgaben, Terminen, Verpflichtungen, Aktivitäten. Das äußere Leben fraß uns auf. Wir waren nicht mehr die Bestimmer und hatten wenig in unserem Leben zu entscheiden.

Vom Nichtstun – Faulsein ist eine Kunst
Ich las, dachte nach, rechnete und zog dann die Reißleine. Im letzten Jahr hat sich bei uns folgendes verändert:
- Ich habe meine Arbeitszeit reduziert. Wir machen dafür Abstriche beim Urlaub und Luxusartikeln.
- Die Kinder besuchen am Nachmittag keine Vereine. Kein Sport, kein Instrument, nichts.
- Wir haben eine Putzfrau. Ich habe deswegen kein schlechtes Gewissen (mehr).
- Ich koche seltener, kalte Küche kann auch lecker sein.
- Wir stehen zeitiger auf und frühstücken Toast und Tee.
- In der warmen Jahreszeit erholen wir uns draußen. Hängematte, Wiese und Terasse werden häufiger genutzt.
- Wir versuchen, aufmerksamer zueinander zu sein und nehmen uns Zeit zum Reden.
- Wir planen keine Wochenendaktivitäten. Entweder machen wir spontan etwas oder bleiben hier.
- Ich schwänze häufiger Elternversammlungen.
- Ich lese keine Listen mehr.
Natürlich klappt nicht alles, einigen Anforderungen kann man sich nicht entziehen. Wir arbeiten dran. Gerade für mich ist es schwierig, Haus- oder Büroarbeit sein zu lassen. Wenn ich merke, dass ich vom Tag wieder komplett leer bin, lasse ich nach dem Ankommen die Tasche fallen, ziehe die Schuhe aus, lümmle mich in die XXL Hängematte und starre ins Grüne. Solange bis es mir besser geht. Die Kinder tun auf dem großen Grundstück dasselbe. Hier. Nach einer halben Stunde ist die Energie zurück und wir können wieder etwas tun.
Die Kinder lernen, dass Nichtstun Energie bringt. Nur wenn ich meinen Geist leere, kann ich wieder Neues aufnehmen. Sie haben weiterhin ihre Haushaltpflichten und Schulaufgaben, die sie mehr oder weniger murrend erledigen. Sie wissen aber, dass ich nicht meckere, wenn sie erst abends um acht den Geschirrspüler ausräumen. Insgesamt sind wir gelassen geworden. Es liegt an uns, ob wir unser Leben genießen. Wir wollen es.
Ruhe zieht das Leben an, Unruhe verscheucht es.
Mörike
Neja